| Fallbeispiele
Hier werden Ihnen Beispiele für meine psychosomatische Transformarbeit beschrieben.
Ich habe die Erlaubnis zu der Veröffentlichung der Fälle von meinen Klienten eingeholt und die Daten anonymisiert.
EINLEITUNG
Um als Leser nachvollziehen zu können, was hier an Wandlungsprozessen geschildert wird, möchte ich vorneweg noch Folgendes zur Klärung anmerken:
Indem wir das Symptom aufstellen, können wir es verstehen und befragen. Dadurch wird es möglich, dass das ins Unbewusste abgeschobene Gefühl oder Bedürfnis sich äußern kann.
Was dabei ungewohnt oder fast magisch anmutet ist derselbe wissenschaftlich nicht erklärbare Vorgang, der bei Familienaufstellungen passiert: Man nimmt den Platz eines Mitglieds im Familiensystem ein und kann dadurch stellvertretend fühlen, was zu dieser Person - bezogen auf die Fragestellung - vor sich geht. So kann auch ein Symptom aufgestellt werden. Auf diese Weise kann das Gefühl, das in den Körper verschoben wurde, verstanden und ein Weg gefunden werden, es auf eine gute Art in das Gesamtsystem der Person zu re-integrieren. Dies geschieht in den meisten Fällen über die therapeutische Arbeit mit dem Symbol des „Inneren Kindes“.
FALLBEISPIELE
1.: Frau L., eine Dame von 75 Jahren, hat häufig Blasenprobleme und muss sich stets warm einpacken. Ich setze mich neben sie und stelle mir vor, ich selbst sei dieses Organ. Ich bin friedlich als Blase, es ist nicht die Wärme allein, was ich brauche. Mehr noch brauche ich eine entspannte Grenze an meiner Außenhaut, ein Gefühl von Sanftheit anstelle von Spannung. Frau L. kann sofort etwas damit anfangen: Die Grenze zwischen ihr und der Welt fühle sich für sie zu hart an, alles sei so „krachert“. Ich bitte sie, dies zu konkretisieren. Dabei fällt ihr zunächst ihr Ehemann ein, der zu ihr kratzbürstig sei und schließlich ihr Vater als Kind, ein SS-Offizier. Vor diesem habe sie sich schützen müssen und habe versucht, sich selbst nicht mehr zu spüren. Im Gespräch darüber kann Frau L. ihre frühen Erfahrungen nacherleben und integrieren. In weiteren Sitzungen wird es ihr möglich, früh entstandene Schutzhaltungen zu verändern und in der Gegenwart wehrhafter zu werden. Der Blase geht es zunehmend besser und Entzündungen sind nicht mehr aufgetreten.
2.: Frau C. hat MorbusCrohn, eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Bei dieser Krankheit können kurzfristig heftige Entzündungen immer wieder auftreten. Vor kurzem hatte sie starke Bauchschmerzen durch eine akute Entzündung mit drohendem Darmverschluss. Frau C. will durch die Erkrankung ausgelöste Hilflosigkeitsgefühle überwinden. Ich setze mich neben sie, lasse mir die Beschwerden genau beschreiben und übernehme die Position vom Darm. Zuerst entsteht innerhalb dieser Rolle als Darm der Impuls zu sagen, dass sie sich nicht wundern muss, dass er Probleme macht, wenn sie so mit ihm umgeht. Er, der Darm, möchte, dass sie ihn gern hat, aber Frau C. erwartet, dass er funktioniert, auch wenn sie ihn ignoriert. Sie empfindet es „als harte Arbeit“, auf ihren Darm Rücksicht zu nehmen. Es macht ihr Angst und sie zweifelt, ob sie das schaffen kann. Bisher hat sie immer viel gearbeitet und viel gegessen, ohne ihren Körper zu beachten. Mit dem „Liebhaben kann sie nicht so recht etwas anfangen“. Aber sie hat ein kleines Stofftier, das kann den Darm fragen, was er möchte. Der ist ganz überrascht, freut sich und meldet an, dass er kleinere Portionen als bisher möchte. Es folgen im Prozess der folgenden Sitzungen noch vieleSchritte, bis Frau C. ihren Darm fragen und auf ihn hören kann, bis sie ein passendes, regelmäßiges Essverhalten aufgebaut und ihr Sättigungsgefühl wiedergefunden hat, sodass keine akuten Entzündungen mehr auftreten und die Symptomatik sich bessert.
3.: Frau O. zeigt mir ihren Kreisrunden Haarausfall, der sich stetig weiter ausbreitet. Wir stellen dies Symptom auf und finden heraus, dass es sich um eine Verweigerungs-haltung handelt, um das Bedürfnis zu sagen: „Von mir kriegst du nichts mehr!“. Frau O. schildert nun, wie sie immer wieder versucht, die Probleme ihrer Mutter, die früher viel getrunken hat, zu regeln und dabei Schiffbruch erleidet. Häufig ziehe sich ihre Mutter beleidigt zurück. Wir erarbeiten eine Alternative zum bisherigen Verhaltensmuster von Frau O. gegenüber ihrer Mutter, das sie immer wieder hilflos wütend machte: Sie lernt als Erstes wahrzunehmen, in welchem emotionalen Zustand sich ihre Mutter befindet (häufig hilflose Wut). Dann kann sie entscheiden, ob sie darauf eingehen, über die realen Auslöser mit ihr sprechen oder sich ganz raushalten möchte. Dadurch muss sie nicht mehr gewohnheitsmäßig etwas für die Mutter regeln, sondern kann sich auf das eigene Befinden beziehen, auch wenn dies Verweigerung bedeutet. In einer weiteren Sitzung arbeiten wir traumatherapeutisch an einem bestimmenden und einschränkenden Inneren Anteil von Frau O., einem sogenannten „Introjekt“ (der Großvater der Kindheit), dem gegenüber sich das Innere Kind verweigert, weil es nicht „immer nur müssen“ will.
4.: Ich lasse mir die Schmerzen nach dem Bandscheibenvorfall von Frau A. genau beschreiben und übernehme in der Symptomaufstellung die Rolle des Schmerzes. In dieser Position fühle ich mich wie ein Kind, bin unsichtbar in etwas eingehüllt, das verhindert, dass ich mich wahrnehme, aber auch, dass ich wahrgenommen werde. Frau A. bestätigt mir, dass sie sich im Moment tatsächlich genau so fühle. Als Therapeutin bitte ich Frau A., diesen emotionalen Anteil zu sehen und zu befragen. Es entsteht dabei das Bild, dass sich in der Leibmitte von Frau A. seit langer Zeit eine Wunde befindet, die nicht heilen kann. Frau A.findet in ihrer Vorstellung einen „heilsamen Ring“, der ihr das Gefühl von wohltuender Zuwendung zu ihremSchmerz vermittelt. Diese Visualisierung kann sie anschließend selbstständig bei aktualisiertem Schmerz einsetzen, um ihn zu lindern.
5.: Bei Frau N. wurde ein bösartiger Tumor in der Brust entdeckt. Sie will herausfinden, wie sie ihr Verhalten so verändern kann, dass es einem Rezidiv entgegenwirkt. Der Tumor, den wir aufstellen, hat das Bedürfnis zu wachsen, sich auszubreiten, und er merkt, dass die erwachsene Person dies natürliche Entfaltungsbedürfnis hemmt. Denn Frau N. hat ein starkes inneres Verpflichtungsgefühl und meint, dass sie das nicht darf. Sie beschreibt nun genau diesen Konflikt der letzten Jahre: Sie wolle gern reisen, Spaß haben, neue Kontakte knüpfen und neue Erfahrungen machen (die Kinder seien inzwischen selbstständig). Sie wisse aber, dass dies ihren Ehemann kränken würde, deshalb ordne sie sich unter. Er wolle am liebsten alles mit ihr zusammen machen. Sie selbst habe zu große Angst, sich allein auf den Weg zu machen und diese Bedürfnisse zu leben, weil sie das noch nie gewagt habe. Frau N. weiß gefühlsmäßig, dass sie, wenn sie sich weiter ihrem Ehemann und ihrer Angst unterordnet, nicht mehr lange leben wird. Wir besprechen in den folgenden Stunden, wie sie der Kontrolle des Partners und ihrem strengen Gewissen etwas entgegen setzen und für sich schrittweise Freiräume für eigene Wünsche schaffen kann, ohne ihr Bedürfnis nach Sicherheit zu gefährden. Frau N. bucht schließlich für sich eine längere Reise, sie fühlt sich lebendiger und deutlich weniger hilflos. Sie weiß jetzt, dass sie weiterhin lernen muss, ihr Recht auf eigene Aktivitäten außerhalb von Pflicht und Fürsorge in Anspruch zu nehmen und etwas für sich selbst zu tun.
6.: Frau S., 60 Jahre, kratzt sich seit vielen Jahren Hautstellen auf, der Arztdiagnostiziert Akne, die Betreuer schicken sie zur Therapie. Wir stellen das Hautsymptom mit dem Juckreiz auf und es wird deutlich, dass etwas raus will, erst aus der Haut, dann raus aus einem Haus, offenbar dem Elternhaus von Frau S. als Kind. Die erwachsene Frau muss quasi kratzen, um das „Innere Kind“, also Gefühle, rauszulassen. Tatsächlich war Frau S. als lernbehindertes Kind nie allein draußen, tagelang nur drinnen, manchmal mit der Mutter zum Einkaufen. Sie habe das so verstanden, dass sie nicht raus dürfe, weil sie behindert ist. Das Kind, das ich nun in der Situation von damals erlebe, fühlt sich allein und wie eingesperrt in der Wohnung. Es will raus. Die erwachsene Frau S. erhält von mir nun Anleitung, dem Kind von damals (das ich vertrete) zu sagen, dass sie es mitnimmt zum Spazieren gehen und immer, wenn sie hinaus geht. Auf verschiedene Weise wurde außerdem versucht, Frau S. mit ihrer Umwelt stärker und mehr gefühlsmäßig in Beziehung zu bringen: durch Kontaktspiele mit einem Ball, den Umgang mit einem großen Stofftier, Übungen zum Small Talk, positive Verstärkung ihrer eigenen Bedürfnisse und Anleitung zu Berührungsritualen mit dem Partner. Nach insgesamt 10 Monaten und 12 Sitzungen treten keine Hautsymptome mehr auf.
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